Was Sterbenden gut tut

Die Vorstandsmitglieder Beate Bühner (r., Vorsitzende), Adelheid Windt und Georg Blom haben viele Jahre Erfahrung gesammelt in der Hospizarbeit und Trauerbegleitung. Sie gehören zu den Mitbegründern des Vereins Hospizgruppe Horizonte Hörstel e.V.. Die ehrenamtlich tätigen Vereinsmitglieder bieten qualifizierte ambulante Sterbebegleitung und Trauerbegleitung.

Was Sterbenden gut tut

Neun Männer und Frauen aus Hörstel und Umgebung haben sich zusammengeschlossen und den Verein „Hospizgruppe Horizonte Hörstel e.V.“ gegründet. Stephan Beermann sprach mit ihnen über die Ziele des Vereins, über gelingende Sterbebegleitung und über den manchmal langen Weg der Trauerarbeit.  

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ozu braucht es einen Hospizverein?

Adelheid Windt: Die Menschen werden immer älter und wollen zuhause sterben. Dazu braucht es ein ganzes Netzwerk von Angehörigen, Pflegekräften und medizinischem Personal. Woran es oft hakt, ist die Zeit. Diese Zeit schenken die ehrenamtlichen Hospizbegleiter. Wir geben das, was den Sterbenden und den trauernden Angehörigen guttut.

Georg Blom: Was Sterbenden guttut, ist sehr individuell. Jeder hat andere Ansprüche und Bedürftigkeiten. Einige wollen Berührung, andere überhaupt nicht. Es ist auch ganz individuell, worauf Sterbende angesprochen werden möchten. Für uns gilt immer: Der zu Begleitende bestimmt, wohin der Weg geht. Sterben hat immer mit Ängsten zu tun, es stellen sich automatisch Fragen: Was wird mit mir? Werde ich Schmerzen haben? Gibt es ein Leben nach dem Tod?

Beate Bühner: Bei Sterbenden wie auch bei den Angehörigen können sich Fragen entwickeln, die sie aber nicht stellen möchten, um den Partner zu schützen und um ihm nicht wehzutun. Gleichwohl stehen diese Fragen im Raum. Dann kann es hilfreich sein, wenn jemand als Hospizbegleiter dabei ist, und sei es nur, um zuzuhören. Bei allem was wir tun, gilt immer: Der Chef im Ring ist der sterbende Mensch.

Wie haben Sie zu Ihrer Aufgabe gefunden?

Windt: Durch eigene Erfahrungen sowohl im Privaten wie auch durch meine berufliche Tätigkeit. Trauerarbeit war mir seit jeher wichtig, weil ich um ihre Wichtigkeit weiß.

Bühner: Ich weiß, dass es schwer sein kann, einen Menschen zu finden, mit dem man sprechen kann. Da sein und zuhören – das hört sich nach wenig an. Aber das macht es aus.

Gibt es ein gelingendes Sterben?

Blom: Das gibt es tatsächlich. Wenn jemand für sich entscheiden kann: Ich kann nicht mehr und ich möchte nicht mehr – wenn man dies für sich akzeptiert.

Bühner: Es gibt Sterbende, die möchten diesen letzten Schritt alleine gehen, wenn niemand im Zimmer ist. Auch darüber zu sprechen, ist ganz wichtig.

Blom: Manchmal versuchen Sterbende, die letzten Kräfte zu mobilisieren für ihre Angehörigen. Deshalb sagen wir als Begleitende auch schon mal: Lasst uns einmal rausgehen und einen Kaffee trinken.

Neben der ambulanten Sterbebegleitung ist die Trauerbegleitung die zweite Säule Ihrer Arbeit im Verein. Wie gehen Sie vor?

Blom: Es trauert jeder Mensch anders.

Windt: Bei der Trauer gibt es keine Zeit. Einige haben den Tod eines Angehörigen nach einem halben Jahr bewältigt, andere benötigen fünf Jahre. Es kann auch sein, dass Menschen keine Zeit bleibt zu trauern, weil sie im Beruf oder mit dem Kind so stark gefordert sind.

Bühner: Die Trauer sucht ihren Weg und wir wollen den Trauernden den Raum geben, den sie brauchen.

Nicht wenige sind durch Tod und Trauer verunsichert. Zurecht?

Bühner: Es gibt keine „richtige“ und auch keine „falsche“ Trauer. Wir möchten unser Angebot in der Stadt Hörstel möglichst breit fächern und machen deshalb ganz verschiedene Angebote: in Einzelgesprächen, in Gruppen oder in einem Trauercafé..

Blom: Ganz unabhängig von der Konfession, Herkunft oder Nationalität gibt es die Möglichkeit, zu sprechen. Und dies ganz ohne Wertung, oder dass jemand sagen würde: „Es muss auch mal gut sein.“ Es sind solche Sprüche, wo sich mir die Nackenhaare sträuben. Dazu gehört auch: „Die Zeit heilt alle Wunden.“ Es bleibt immer eine Narbe, mit der wir aber leben können und wollen. Es wird nie mehr so gut sein, wie es gewesen ist. Aber es wird anders gut sein.

Sie sagten, dass Sie als Begleiter Zeit mitbringen. Wie viel Zeit ist das denn?

Blom: Das lässt sich nicht generell sagen. Die Trauerbegleitung kann ein Gespräch bedeuten, aber auch mal viele Gespräche.

Bühner: Manchmal hilft es schon zu wissen, dass man sich bei Bedarf telefonisch bei einem der Trauerbegleiter melden kann.

Die Hospizarbeit ist sicherlich persönlich anspruchsvoll. Wie nah lassen Sie das Erlebte an sich heran?

Blom: Man will den Menschen gerecht werden und empathisch sein, zugleich haben wir in unserer Ausbildung gelernt, Distanz zu wahren. Da sind klare Grenzen gesetzt.

Bühner: Es gibt einen Unterschied zwischen Mitleid und Mitgefühl. Wir fühlen mit, wir leiden aber nicht wie die Angehörigen. Da gibt es eine Grenze, über die wir uns in der Gruppe austauschen und reflektieren.

Quelle: Ibbenbürener Volkszeitung vom 06. April 2023, Autor und Foto: Stephan Beermann